Seit dem 22. März 2023 hat Mainz einen neuen Oberbürgermeister. 100 Tage ist der parteilose Nino Haase an diesem Freitag (30.07) im Amt. Grund genug für eine Bilanz. Wie er die ersten 100 Tage im Amt verbracht hat und was er in der Verwaltung bisher bewegt hat, hat er uns im Interview verraten.
Bürokratie runterfahren – Digitalisierung hochfahren
In den ersten 100 Tagen hat Haase nach eigenen Angaben rund 830 Termine in seinem Amt wahrgenommen, die Strukturen kennengelernt und sich in der Verwaltung zurechtgefunden. Auch wenn er in der Struktur nicht alles von links nach rechts werfen wolle, seien ihm bereits Dinge aufgefallen die er verbessern will, um der Verwaltung die Arbeit zu erleichtern. Das Stichwort lautet Bürokratie-Abbau. Nicht jede Neueinstellung müsse von fünf Leuten gegengezeichnet werden und auch nicht auf dem Schreibtisch des OB landen. Als Oberbürgermeister sieht er seine Aufgabe darin, die Bürokratie zurückzufahren, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu entlasten und zu ermutigen, selbst Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig seien die ersten Maßnahmen im Bereich Digitalisierung angestoßen worden. So werden demnach jetzt alle Sitzungen des Stadtvorstands digitalisiert. Die digitale Zeiterfassung soll im August starten.
Klarer Standpunkt beim Thema Geschäftsführer der städtischen Gesellschaften
Direkt nach seiner Amtseinführung sah sich Haase mit dem Thema Personalentscheidungen bei städtischen Gesellschaften konfrontiert. Konkret geht es dabei um das Thema der neuen Geschäftsführer bei der Wohnbau. Hier habe er seinen Standpunkt klar gemacht, dass sich die Stadt in Zukunft strikt an ihre Coroporate Governance-Regeln halten müsse. Bei solchen Konfrontationen sei es aber wichtig, so miteinander zu sprechen, dass niemand sein Gesicht verliere.
Personal bleibt weiter der Schlüssel – 13 neue Stellen zur Personalgewinnung
Auf das Thema Personalmangel hat Haase bereits im Wahlkampf immer wieder hingewiesen. Als OB – bei dem die Personalverantwortung ohnehin in der Verwaltung angesiedelt ist – wurden nach seinen Angaben jetzt erste Maßnahmen ergriffen. Nach aktuellem Controlling-Bericht seien in Mainz rund 12.000 Stellen in der Verwaltung unbesetzt. Um dem entgegenzuwirken seien 13 Menschen im Bereich Personalgewinnung eingestellt worden. Eine Stelle hiervon kümmere sich dabei ausschließlich um die Personalgewinnung in den Kitas. Ebenso sei ihm das Thema Transparenz nicht nur in den städtischen Gesellschaften von Anfang an besonders wichtig gewesen. Dabei nennt Haase unter anderem die Stärkung des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit und den neuen Instagram-Kanal der Stadt.
Entlastung für Kitas
Beim Thema Situation in den Kitas habe es einen intensiven Austausch gegeben. Hier wurde jetzt ein neues Maßnahmenpaket vorgestellt. Mit 111 Maßnahmen soll den Kitas unter die Arme gegriffen werden. So sollen insgesamt 19 Stellen besetzt werden, die in den Kitas administrative Aufgaben übernehmen. Diese administrativen Kräfte finde man noch auf dem Arbeitsmarkt, anders als Erzieherinnen und Erzieher. Zusätzlich sollen jetzt 62 Kita-Hilfskräfte eingestellt werden, mit dem Ziel, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Fachkräften auszubilden. Mit einem besseren Angebot in der Kinderbetreuung hofft Haase wiederum auch den Standort Mainz für Arbeitgeber interessanter machen zu können. Dieses Maßnahmenpaket ist für den neuen OB seine bisher größte politische Initiative in seinen ersten 100 Tagen.
Anwohnerparken in Parkhäusern – Konzept im Juli
Ebenfalls ein großes Thema im Wahlkampf: Verkehr, Mobilität und Klimaschutz. Haases Idee: Anwohnerparken in Parkhäusern. Auch hier habe es Gespräche mit den Gesellschaften gegeben, insbesondere mit der Parken in Mainz GmbH. Hier soll es im laufe des Juli ein Konzept geben, welches den Anwohnern das Parken in den Parkhäusern ermöglichen soll. Dann soll aber auch das Anwohnerparken teurer werden. Aktuell kostet ein Bewohnerausweis 2,50€ im Monat, rechnet Haase vor. Das müsse jedem klar sein, dass die Zeiten vorbei sind. Als Gegenbeispiele nennt der OB unter anderem Wiesbaden. Hier kostet ein Bewohnerausweis rund 120 Euro pro Jahr. Freiburg sei mit am teuersten mit 420 Euro im Jahr. Man werde sich realistisch in Mainz in Zukunft wohl in der Mitte bewegen. Der Platz, der durch die wegfallenden, geparkten Autos entsteht, soll dann z.B. in Grünflächen in Außengastronomie oder in Radwege umgewandelt werden.
Wohnbau stärken
Beim Thema Wohnen hat Haase ein großes Potenzialgutachten angekündigt. Grundsätzlich hält er eine Stärkung der Wohnbau für notwendig. Aktuell sei die Wohnbau durch Zielvereinbarung dazu angehalten, viel Geld an die Zentrale Betieligungsgesellschaft der Stadt abzugeben. Dieses Geld will Haase eher in das Thema Wohnen reinvestieren. Die Stadt müsse die Einkommenssituation über Ansiedelungen verbessern und nicht über Gewinne der städtischen Gesellschaften.
Gelassener Blick auf die Kommunalwahl
Besonders positiv bewertet Haase nach seinen 100 Tagen im Amt die parteiübergreifende Arbeit im Stadtrat. Er habe alle demokratische Fraktionen besucht und sei hier überwiegend freundlich aufgenommen worden. Gleich zwei Anträge in der Stadtratssitzung im Mai wurden von Ampelkoalition und CDU gemeinsam eingereicht (Sträkrung Römisches Mainz, Park&Ride-Konzept). Das müsse der Weg sein. Die Kommunalwahl im kommenden Jahr werde er mit großem Interesse verfolgen. Gleichzeitig wirbt er für eine Stadtrat ohne feste Koalition. Wenn er sich was wünschen dürfe: Es gebe genug andere Kommunen die mit dem Modell ohne Koalitionsvertrag auf kommunaler ebene ganz gut fahren würden.